Detre Centennial Conference
Commun. Konkoly Obs. N°. 104
© Konkoly Obs., Budapest, 2006

Astronomische Geräte von Carl Zeiss Jena in Ungarn

Hans G. Beck

Jena

Sehr geehrte Damen und Herren des Festkolloquiums zu Ehren von Herrn Professor László Detre!

Leider ist es mir aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, selbst einen Beitrag über die Beziehungen zwischen den ungarischen Astronomen und der Astro-Abteilung von Carl Zeiss Jena hier vorzutragen. Ich bedanke mich bei Herrn Professor Lajos Balázs für die Einladung und wäre gern nach über 30 Jahren wieder nach Budapest gekommen.

Die Beziehungen begannen bereits vor der Gründung der Abteilung durch freundschaftliche Kontakte und Lieferungen für das Privatobservatorium von Miklos von Konkoly-Thege in O'Gyalla. Pauly war ein Zeitgenosse Konkolys, beide waren etwa gleich alt. Als promovierter Chemiker leitete Pauly eine große Zuckerfabrik bei Mühlberg/Elbe mit bedeutendem Erfolg, insbesondere durch die Entwicklung neuer Technologien und Ausrüstungen für die Verarbeitung von Zuckerrüben. Pauly interessierte sich aber schon von Jugend an für die Astronomie und hatte nun finanzielle Mittel, sich intensiver mit dieser Wissenschaft zu beschäftigen. So baute er sich eine eigene Sternwarte auf, wobei ihn Konkoly unterstützte. Es gab zwischen beiden eine Art Seelenverwandtschaft, aus eigenen Kräften sich die Mittel für Forschung und Entwicklung zu schaffen.

Das besondere Interesse Paulys galt der Astro-Optik und er schuf eine leistungsfähige Optikwerkstatt mit einem großen Kundenkreis. Um 1890 lieferte er ein 6-Zoll-Objektivprisma und zwei 8-Zoll-Objektive nach O'Gyalla und nach Herény.

Große Aufmerksamkeit erregte Paulys Apochromat aus neuen Schott-Gläsern, den Professor Max Wolf von der Heidelberger Sternwarte auf dem Königstuhl als einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiete der Fernrohroptik rühmte. Damit war eine Innovation entstanden, die die Grundlage für den Aufbau einer Werkstatt für astronomische Optik bei Carl Zeiss Jena bilden konnte.

Über dieses neue Objektiv und die neue Abteilung für astronomische Objektive berichtete Max Pauly auf der Tagung der Astronomischen Gesellschaft in Budapest im Jahre 1898, die von Konkoly organisiert worden war. An dieser Tagung nahm auch der Observator der Jenaer Sternwarte Otto Knopf teil, der von Ernst Abbe, dem führenden Wissenschaftler des aufstrebenden Weltunternehmens der Feinmechanik und Optik in Jena, mit den Geschäften der Astronomischen Lehre und Forschung betraut worden war.

Zu den Teilnehmern der Tagung der Astronomischen Gesellschaft in Jena im Jahre 1906 gehörte auch Konkoly, der sich von den Fortschritten in Jena überzeugen konnte. Aus der Werkstatt für astronomische Optik war eine Abteilung geworden, die bereits astronomische Groß geräte wie das 720-mm-Spiegelteleskop für Heidelberg und das 400-mm-Spiegel-teleskop für Innsbruck hergestellt hatte.

Solche Groß geräte zählten nicht zur Planung Konkolys, aber er erwarb die neue Zeiss'schen Wechselvorrichtung mit der bekannten Ringschwalbe für seine Teleskope, um beim Austausch von Nebengeräten die Beobachtungstätigkeit zu rationalisieren.

Mit der Übertragung der Konkoly'schen Sternwarte an den Staat im Jahre 1899 war deren Existenz für die Zukunft gesichert und wie wir mit Befriedigung feststellen können, selbst nach dem Untergang der K.u.K. Monarchie.

Die neue Sternwarte in Budapest erhielt 1928 ein großes Doppel-Teleskop mit einer Montierung von Heyde/Dresden mit einem 600-mm-Spiegelteleskop und einem 300-mm-Refraktor von Carl Zeiss Jena, das heute noch in modifizierter Form als automatisiertes Teleskop im aktiven Dienst steht. Auch zwei Kuppeln, verschiedene kleinere Teleskope und Auswertegeräte gehörten zu den Geräten von Carl Zeiss Jena.

Das Hauptarbeitsgebiet der Sternwarte blieb die von Konkoly intensiv betriebene Beobachtung veränderlicher Sterne, auf dem man auch mit kleineren Teleskopen, wie sie in Budapest vorhanden waren, erfolgreich tätig sein. In Deutschland gab dafür Cuno Hoffmeister in Sonneberg ein Beispiel. Nach Abschluß seines Studiums in Berlin im Jahre 1929 begann László Detre seine Forschungsarbeiten in der Konkoly-Sternwarte mit großem persönlichen Einsatz bei der Beobachtungsarbeit. Ähnlich wie bei Cuno Hoffmeister in Sonneberg wurde jede klare Minute zum Beobachten genutzt und eine große Zahl photographischer Himmelsaufnahmen gewonnen und ausgewertet.

Als László Detre 1943 Direktor der Konkoly-Sternwarte wurde, war überhaupt nicht daran zu denken, daß die ungarische Astronomie durch neue, leistungsfähigere Teleskope und Ausrüstungen die von Konkoly geschaffenen Grundlagen der Astrophysikalischen Forschungen weiter ausbauen könnte.

Es ist bemerkenswert, daß - ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg - viele zerstörte Sternwarten wieder aufgebaut wurden und darüber hinaus neue Forschungsgeräte installiert wurden. Damit hatte auch die Astroabteilung von Carl Zeiss Jena eine Chance, im Rahmen des Wiederaufbaus des Zeisswerkes die Tradition der Astroabteilung fortzusetzen und sogar ein höheres Leistungsniveau anzustreben.

An vorderer Stelle standen die Schmidtspiegelteleskope und in Jena folgte dem 2-m-Universal-Spiegelteleskop mit dem größten Schmidtspiegelsystem der Welt, das Große Schmidtteleskop für die Sternwarte Hamburg-Bergedorf.

Die ersten Gespräche um eine Modernisierung und Vergrößerung der Ausrüstung der Sternwarte fanden 1956 anläßlich der Konferenz über Veränderliche Sterne statt. Es ging um ein Schmidtspiegelteleskop, das den in der Veränderlichforschung eingesetzten Astrographen überlegen war.

Es trat dann der günstige Fall ein, daß mehrere Sternwarten an einem Spiegelteleskop-Typ interessiert waren, der für die Ausbildung von Studenten in gleicher Weise wie für die Forschung geeignet war. Mit dem Teleskop, so war die Konzeption von Zeiss, sollte, ähnlich wie bei dem 2-m-Spiegelteleskop, das 1960 in Tautenburg in Betrieb genommen worden war, neben dem Schmidtsystem auch noch eine Cassegrainvariante Einzeluntersuchungen astronomischer Objekte ermöglichen.

An diesem Schmidtspiegelteleskop waren die Sternwarten Jena, Budapest, Poznan und Peking interessiert und so kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den Jenaer und den Budapester Astronomen. 1962 wurde das Schmidtspiegelteleskop 600/900/1800 auf der neuen Bergstation Piszkéstetö in dem Mátra-Gebirge in Betrieb genommen. Ihm folgte 1966 ein 500-mm-Cassegrain-Teleskop.

In dieser Zeit waren in Jena die neuen 2-m-Spiegelteleskope für Schemacha (Aserbeidshan) und Ondrejov (CSSR) im Bau und zwei 1-m-Teleskope mit Ritchey-Chrétien-Spiegelsystemen für die indischen Sternwarten in Kavalur und Nainital in Entwicklung.

Dieser Teleskoptyp war für die Konkoly-Sternwarte ein optimaler Kompromiß zwischen Leistungsfähigkeit und Kostenaufwand verglichen mit einem 2-m-Teleskop. Zeiss hatte Vorteile mit einer weiteren Fertigung für Sternwarten in aller Welt. Durch die niedrigen Polhöhen der indischen Sternwarten war eine sogenannte Englische Montierung vorteilhaft, bei der die Stundenachse von zwei Pfeilern getragen wird. Für die Fertigung dieses Typs konnte eine Standardkonstruktion verwendet werden, die für den Kunden und den Lieferanten ökonomische Vorteile bot.

Damals entwickelte sich ein Umbruch in der Antriebs- und Steuertechnik der Teleskope, aber auch der gesamten Gerätetechnik des Zeiss-Fertigungsprogramms.

Die Astroabteilung von Carl Zeiss Jena stand vor einem Dilemma. Die bisherige Elektrotechnik war nicht mehr zukunftsträchtig, es gab aber keinen Partner mit entsprechenden Erfahrungen in der DDR für eine moderne Lösung.

Bei der Beratung dieser Problematik in Budapest ergab sich der Glücksfall, daß in der Budapester Firma VILATI ein potentieller Partner mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Steuerung von Werkzeugmaschinen existierte, der zudem noch Zugriff auf moderne westliche Bauelemente der Elektronik hatte. Dank der Bemühungen von Prof. Béla Balázs und einer glücklichen Konstellation der kommerziellen Beziehungen zwischen Ungarn und der DDR im Rahmen der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe konnte das Problem gelöst werden.

Die Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Firma VILATI unter Leitung von Diplomingenieur Otto Bánhegyi war hervorragend und es gab keine Schwierigkeiten bei der Übertragung der Steuerung einer Werkzeugmaschine auf ein Teleskop.

Von besonderem Vorteil war, daß die erste neue Teleskopsteuerung in Ungarn zur Anwendung kam und die Betreuung des Teleskops gesichert war.

Das Teleskop wurde 1974 in Betrieb genommen.

Was zunächst nur als eine Lösung für das ungarische Teleskop angesehen wurde, entwickelte sich für Carl Zeiss Jena und die Firma VILATI zu einer Erfolgsgeschichte. Von dem 1-m-Teleskop-Typ wurden bis 1990 weitere 10 Geräte vor allem in den astroklimatisch günstigen Gebieten Mittelasiens in Betrieb genommen.

Inzwischen war auch die Digitaltechnik produktionsreif geworden und so konnte Carl Zeiss Jena dank der guten Zusammenarbeit mit der Firma VILATI auch auf diesem Gebiet mithalten und die Beobachtungsarbeit rationalisieren. Die mit dem 1-m-Teleskop gewonnenen Erfahrungen konnten auf die neuen 2-m-Ritchey-Chrétien-Teleskope für die Observatorien Roshen/Bulgarien und Terskol/Kaukasus übertragen werden.

Wie Sie sehen können, verdankt die Astroabteilung von Carl Zeiss Jena wesentliche Impulse ihrer Entwicklung der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit bedeutenden ungarischen Astronomen und Institutionen. Es ist erfreulich festzustellen, daß Professor László Detre zur richtigen Zeit diese Impulse auslösen konnte. Persönlich freue ich mich, daß ich in meiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter der Abteilung für Astronomische Geräte bei Carl Zeiss Jena diesen Aufbau fördern konnte. Ich hatte als Praktikant an der Sternwarte Sonneberg meine Lehrzeit als Astronom mit der Beobachtung von Veränderlichen Sternen begonnen ebenso wie mein engster Mitarbeiter Alfred Jensch, der dann Chefkonstrukteur der Astroabteilung wurde.

Ich wünsche der ungarischen Astronomie weiterhin eine gute Entwicklung und viele Erfolge.