AUFBAU UND EVOLUTION DER UNTERRIESEN
                 von A. G. MASSEVITCH, Moskau


    Eine sehr interessante Sterngruppe bilden die Unterriesen, die sich 
auf dem Russell-Diagramm zwischen der Hauptreihe und dem Riesenast befinden, 
in einem ziemlich engen Spektralintervall von F bis K.
    Eine betrachtige Zahl der Unterriesen findet man in engen 
Doppelsternsystemen, es gibt aber auch viele Einzelsterne, die Unterriesenzüge 
aufweisen und schliesslich kommen sie auch in einigen visuellen 
Doppelsternsystemen vor, wie zum Beispiel in zeta Her.
    Für die Unterriesen gibt es keine empirische Masse-Leuchtkraft oder 
Masse-Radiusbeziehung wie für die Sterne der Hauptreihe. In unserer gemeinsam 
mit P. P. Parenago in 1950 ausgeführten Arbeit, die den empirischen 
L - R - M Beziehungen für verschiedene Sterngruppen gewidmet war [1], 
untersuchten wir 26 Unterriesen, für welche die Massenwerte bekannt sind 
(25 Komponenten in engen Doppelsternen und zeta Her). Wir konnten keine 
eindeutige Beziehung zwischen L - M und R - M feststellen und fanden 
nur eine Beziehung zwischen allen drei Parametern

                    L == 0.45M^0.33 R^2.06                (1)

    Das Fehlen der zweidimensionalen Beziehungen zwischen Masse-Leuchtkraft 
und Masse-Radius bedeutet, dass im L - R - M-Raum die Unterriesen auf einer 
Oberfläche liegen, die durch Beziehung (1) charakterisiert 
ist und nicht eine Linie bilden, wie zum Beispiel die Hauptreihensterne. 
Die Beziehung (1) kann einfach erhalten werden durch Eliminierung eines 
Gliedes lambda aus zwei folgenden Gleichungen

                      L=f_1 (M,lambda)                    (2)
                      R=f_2 (M,lambda)

wo lambda ein Parameter ist, der zugleich mit der Masse (M), den Aufbau der 
betreffenden Sterne bestimmt. Eine bestimmte physikalische Deutung von 
lambda konnten wir in der oben zitierten Arbeit nicht geben.
    O. Struve und N. Gould [2] haben in 1954 ein räumliches Diagramm 
L - R - M gebaut und gezeigt, dass die Lage der Unterriesen mit bekannten 
Massenwerten ziemlich gut durch die Oberfläche (1) beschrieben werden 
kann. Um dieselbe Zeit kam O. Struve [3] zum Schluss, dass für Unterriesen 
in engen Doppelsternsystemen die Rolle des Parameters lambda das 
Massenverhaltnis der beiden Komponenten

                   alpha = M_1/M_2

spielen könnte. Wie bekannt, ist alpha für enge Doppelsterne sehr gross und 
liegt gewöhnlich zwischen 2 und 20. Nach Struve bedeutet ein grosses alpha 
eine grosse ursprüngliche Differenz in der chemischen Zusammensetzung mu der 
Komponenten des Doppelsternes. 


 

                         Abb. 1


Gleichzeitig würde es bedeuten, dass Unterriesen Komponenten in engen 
Doppelsternsystemen und einzelne Unterriesen von verschiedener Natur sind. 
Dieser letzte Schluss scheint nicht sehr offensichtlich zu sein, denn wenn wir
in das Russell-Diagramm alle Unterriesen mit guten Parallaxes einzeichnen 
(Abb. 1), so scheidet sick die Lage der einzelnen Unterriesen wie auch 
deren Kinematik von denen in engen Doppelsternen nicht im mindesten aus. 
Im Gegenteil, sie vermischen sich ziemlich gleichmässig im Diagramm.
    In der letzten Zeit erweckt die Unterriesengruppe ein lebhaftes Interesse. 
Mit Hilfe der Sternentwicklungstheorie von Martin Schwarzschild [4] kommen 
viele Autoren zum Schluss, dass die Unterriesen alte Hauptreihensterne sind 
die schon einen langen Entwicklungsweg hinter sick haben und in deren 
Zentralteilen der Wasserstoff schon fast vollständig "ausgebrannt" ist. Die 
Schwarzschild'sche Theorie wird auch ausgenutzt um die Masse der Unterriesen 
theoretisch zu bestimmen.
    So finden zum Beispiel Eggen [5], Reddish [6] und Sandage [7], dass die 
Massen der einzelnen Unterriesen ungefähr gleich sind und etwa 1.2  
Sonnenmassen ausmachen, in jedem Falle im Intervalle 1.5 Sonne - 1 Sonne liegen.
    Wirklich, alle einzelnen Unterriesen fallen auf dem Diagramme 
(lg T_eff, M_bol), in welchem die Evolutionslinien für konstante Massenwerte 
nach Schwarzschild eingetragen sind, genau zwischen die Kurven M = 1.5 Sonne 
und M = 1 Sonne (Abb. 2). Um die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme zu prüfen, 
können wir für einen Stern mit bekannter Masse, z. B. zeta Her A, mit Hilfe 
dieses Diagrammes seine Evolution zurück bis zur Hauptreihe verfolgen und 
dann seine Masse aus der Masse-Leuchtkraftbeziehung der Hauptreihensterne 
bestimmen. Die Resultate einer solchen Rechnung findet man in Tabelle 1

                                                        Tabelle 1

 N      Stern       M_v      Sp      (M_v)_o   (SP)_o   M_theor

 1 zeta Her A ....  3.0      G0       4.2       F9      1.12 Sonne
 2 tau  Boo ......  3.24     F6       4.4       F7      1.09 Sonne
 3 HD 77258 ......  2.4      F8       4.2       F6      1.12 Sonne


    Die theoretisch bestimmte Masse für zeta Her A stimmt sehr gut mit dem 
wirklichen Wert 1.1 Sonne überein [8]. Für zwei andere Unterriesen zeigt die 
Tabelle Werte, die auch gut mit Abbildung 2 übereinstimmen.
    Wie Oke und Greenstein [9] und auch Sandage [10] unlangst gezeigt 
haben, kann these Hypothese auch durch die Betrachtung der 
Rotationsgeschwindigkeit der Unterriesen unterstützt werden.
    Es scheint also, dass wir gute Gründe haben, die Unterriesen wirklich 
als alte Hauptreihensterne zu betrachten, Sterne, die einen langen 
Entwicklungsweg hinter sich haben und die im Laufe der Zeit ihre 
äusseren Parameter geändert haben infolge der Entstehung einer 
Inhomogenität der chemischen Zusammensetzung. Nach der Schwarzschild'schen 
Theorie müssen dann die Unterriesen etwa 5*10^9 Jahre alt sein.
    Diese Hypothese stösst aber auch auf einige ernste Schwierigkeiten. 
Wenn wir in dasselbe Diagramm wie Abb. 2 (lg T_eff, M_bol) auch die Unterriesen 
eintragen, die als Komponenten in engen Doppelsternsystemen eintreten, 
so fallen die letzten auch ganz genau zwischen die Evolutionskurven für M = 1.5 
Sonne und 1 Sonne (Abb. 3). Für these Unterriesen kennen wir die Massenwerte.
Die 25 Unterriesen, die in unserer Arbeit [1] untersucht wurden, haben Massen 
von 3 Sonne bis zu 0.3 Sonne. Ausserdem hat Parenago in 1951 [11] die Massen
für noch 37 Unterriesen (Komponenten in Doppelsternsystemen nur mit einem 
Spektrum) bestimmt. Auch hier liegen die Massenwerte in denselben 
Grenzen.
      Wenn wir für einige dieser Unterriesen die gleiche Prüfungsrechnung, 
wie für zeta Her A ausführen, so erhalten wir folgende Resultate.


  

               Abb. 2                                    Abb. 3

                                                                  Tabelle 2

 N   Stern          M_v      Sp      (M_v)_o   (SP)_o   M_theor    M_ex
 1 TX UMa B ...... +0.7      F2       2.7       A8      1.74 Sonne 1.00 Sonne
 2 WW Dra A .......+2.8      G2       4.8       G1      1.02 Sonne 3.99 Sonne
 3 WW Dra B .......+2.4      K0       6.7       K0      0.76 Sonne 2.40 Sonne


Der Unterschied zwischen M_theor und M_ex ist so gross, dass er keinesfalls
durch die Unexaktheit der M_ex erklärt werden kann. Es scheint, dass für diesen 
Fall der oben betrachtete Entwicklungsweg nicht passt.
      Man könnte natürlich, mit O. Struve, annehmen, dass wir es hier mit 
zwei ursprünglich verschiedenen Gruppen von Unterriesen zu tun haben: 
Einzelsterne und Komponenten in Doppelsternsystemen. Wie aber schon 
oben betont wurde, spricht Abbildung 1, auch die Kinematik der Unterriesen, 
gegen eine solche Annahme. Ausserdem muss man hinzufügen, dass der Hauptstern 
in einem engen Doppelsystem gewöhnlich ein normaler Hauptreihenstern 
ist, der sich von den anderen Hauptreihensternen nicht unterscheidet. Nun 
aber sind schon 4 Systeme bekannt, in welchen beide Komponenten Unterriesen 
mit ungefähr gleicher Masse sind. Es folgt daraus, dass auch unter den 
Unterriesen, die in Doppelsternsysteme eintreten, sich Sterne befinden, für die 
wir gar keine Gründe haben besondere Bedingungen bei ihrer Entstehung
anzunehmen (Da alpha=M_1/M_2 ~ 1, also ganz normal ist).
     Wir kommen hiermit zu dem Schluss, dass die Annahme von einer 
Teilung der Unterriesen in zwei verschiedene Gruppen je nachdem ob sie in 
engen Doppelsternsystemen auftreten oder nicht, ziemlich unwahrsebeinlich ist. 
     Zweitens, widerspricht die Annahme von einem grossen Alter der Unterriesen 
(~ 5*10^9 Jahre) dem Umstand, dass eine ziemlich grosse Anzahl
von Unterriesen sick in dem Orionnebel befindet. Abbildung 4 zeigt das 
Russelldiagramm für die Sterne des Orionnebels nach Parenago [12]. Wir 
finden bier nur den oberen Teil der Hauptreihe und die Unterriesengruppe. 
Alle these Sterne, die mit dem Nebel eng verbunden sind, sind nach allen 
Anzeigen jung. Es scheint unmöglich, für die Unterriesen des Orionnebels ein 
Alter von 5*10^9 Jahren anzunehmen.
   Unterriesen befinden sich auch in einigen offenen Sternhaufen, die auch 
jünger als 5*10^9 Jahre sind. Wir kommen zu dem Schluss, dass wenigstens 
einige von den Unterriesen, die als Einzelsterne auftreten, verhaltnismässig 
ganz jung sein müssen, was auch mit der obenerwahnten Hypothese nicht 
übereinstimmt.
   Unserer Meinung nach bilden die Unterriesen eine besondere Sterngruppe. 
Sie haben einen Aufbau analog dem inneren Aufbau der Hauptreihensterne, 
unterscheiden sich aber von den Letzteren durch einen weit grösseren 
Inhalt der schweren Elemente, Z, (Gemisch der Elemente, deren Atomgewicht 
grösser als das des Heliums ist), etwa 4-5 mal grösser als Z für die 
Hauptreihensterne.
   Auf Abbildung 1 sind Kurven Z = Const eingetragen für Sterne, die nach 
einem Modell mit konvektivem Kern aufgebaut sind und für die die empirische 
Masse-Leuchtkraftbeziehung der Hauptreihensterne standhält. Alle 
Werte sind für ein Modell mit kappa = kappa_0 rho^0.875 T^-3.5 als 
Opazitätsgesetz und mit dem Kohlenstoffzyklus als Energiequelle, gegeben. 
Für die Protonreaktion sind die Intervalle zwischen verschiedenen Z-Werten 
noch grösser. Für andere annehmbare Opazitätsgesetze andert sich der Verlauf
der Z=Const-Kurven fast gar nicht. Die entsprechenden Werte von Z werden sich 
natürlich andern, deshalb geben wir in Abb. 1 Werte von Z/Z Sonne wo Z Sonne 
der Z-Gehalt ist, den das entsprechende Modell für die Sonne gibt.
   Aus Abb. 1 sieht man, dass wir es mit einer Streuung von Z in der 
Unterriesengruppe zu tun haben, einer Streuung die von der Masse der 
betreffenden  Sterne nicht abhängt. Dies könnte als eine Erklärung 
dienen warum es keine L - M und R - M Beziehungen für Unterriesen gibt.
   Wie die Untersuchung des Sternmodells mit konvektivem Kern gezeigt 
hat [13], gibt es einen bestimmten Grenzwert für die Masse bei einem 
gegebenen Z-Wert. Wenn die Unterriesen gleich den Hauptreihensternen aufgebaut 
sind, so ergeben sich folgende Grenzwerte für die Massen dieser Sterne:

                   für Z/Z Sonne = 4 ~ 6 Sonne
                   für Z/Z Sonne = 5 ~ 3 Sonne
                   für Z/Z Sonne = 6 ~ 2 Sonne

was den bekannten Massen der Unterriesen nicht widerspricht.
   Je grösser der Z-Wert, desto später int der Spektraltyp, der dieser 
Grenzmasse entspricht und desto enger ist der Spektraltypenintervall 
der betreffenden Sterngruppe.
   Aus Abb.1 sieht man, dass die Unterriesen, wenn ihr Z/Z Sonne > 4 
sein sollte, sick nur als Sterne von Spektraltypen F -- K finden lassen würden. 
Das stimmt mit dem wirklichen Spektraltypenintervall der Unterriesen überein. 
   Im Rahmen dieser Hypothese können die Unterriesen ganz verschiedenes 
Alter haben. Es können auch ganz junge Unterriesen vorkommen, wie z. B.
in dem Orionnebel.
  

  

                                  Abb. 4

Sie entstehen ja schon als besondere Sterne mit grossem Z-Gehalt und brauchen 
nicht noch einen speziellen Entwicklungsprozess um in das Unterriesenstadium 
übergeführt zu werden wie es die erste Hypothese annimmt.


  

                      Abb. 5. Evolution der Unterriesen


         Die Evolution der Unterriesen verläuft, unserer Meinung nach, in der 
Unterriesenregion des Russelldiagramms. Durch die Evolution wird die Streuung 
von Z und die Abweichung vom Masse-Leuchtkraftgesetz nur verstärkt. 
Abb. 5 zeigt verschiedene Evolutionskurven für Unterriesen mit folgenden
Massenwerten: M = 4 Sonne, 2 Sonne, 1.3 Sonne. Eine Evolution mit konstanter 
Masse und mit einer Massenabnahme wurde untersucht. In beiden Fallen 
findet keine Mischung zwischen dem Kern und der Hülle statt.
    Wenn die Evolution mit einer Massenabnahme verläuft, so nähert sich 
der Unterriese im Laufe der Zeit der Hauptreihe. Wenn die Masse konstant 
bleibt, so entfernt er sich. Die Evolutionskurven wurden berechnet fast bis 
zum vollen Wasserstoffverlust im Kern. Diese Evolution dauert einige Milliarde 
Jahre. Weiter kann die Evolution, wie in der Schwarzschildschen Theorie 
hinauf zum Riesenast verlaufen. In beiden Fällen verbringt der Unterriese 
seine Lebenszeit fast ausschliesslich in der Unterriesenregion des 
Russeldiagramms. Es muss erwähnt werden, dass unsere Hypothese der Möglichkeit 
für Hauptreihensterne, in die Unterriesenregion (nach Schwarzschild) 
überzugehen, nicht widerspricht. Es scheint nur, dass im Verlauf der Lebenszeit 
unserer Galaktik die Anzahl solcher Sterne nicht gross sein konnte.

 1. P. P. Parenago i A. G. Massevitch. Trudi GAIS 20, 81, 1951. 
 2. O. Struve a N. Gould. PASP 66 N. 388, 28, 1954. 
 3. O. Struve. Mem. Soc. Roy. Sc. Liége XIV, 236, 1954. 
 4. M. Schwarzschild a. A. Sandage. ApJ 116, 463, 1952. 
 5. O. Eggen. PASP 67, N 398, 315, 1955. 
 6. V. G. Reddish. MN 115, N 1, 32, 1955. 
 7. A. Sandage. Mem. Soc. Roy. Sc. Liége XIV, 254, 1954. 
 8. A. A. Wyller. ApJ 60, 39, 1955.
 9. J. B. Oke a. J. Greenstein. ApJ 120, 384, 1954. 
10. A. R. Sandage. ApJ 122, 263, 1955. 
11. P. P. Parenago. Astr. zh. 28, No 2, 1951.
12. P. P. Parenago. Trudi GAIS 25, 1954. 
13. A. G. Massevitch. Astr. zh. 28, No 5, 1951.